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AutorenbildIon Karagounis

Wachsen und gleichzeitig weniger Ressourcen verbrauchen, ist kaum möglich.



Können wir unsere Umweltprobleme lösen, selbst wenn sich unsere Wirtschaft weiter wie bisher entwickelt und stetig wächst? Na klar, ist eine oft gehörte Antwort, wir müssen lediglich den Ressourcenverbrauch vom Wachstum abkoppeln.


Doch so einfach scheint das nicht zu sein, wie die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zeigen (siehe Grafiken). Auf globaler Ebene ist der Energieverbrauch (blaue Kurve) weitgehend parallel zum Wirtschaftswachstum (orange) gestiegen; ebenso haben die CO2-Emissonen und der Ressourcenverbrauch – gemessen als Footprint – stetig zugenommen, wenn auch weniger stark. Abgenommen haben die Belastungen nur in Jahren, in denen es gleichzeitig zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung kam, zum Beispiel während der Finanzkrise 2008.



Was ist hier genau passiert? Bei den CO2-Emissionen und beim Ressourcenverbrauch hat eine sogenannt relative Entkopplung von der Wirtschaftsleistung stattgefunden, beim Energieverbrauch gab es gar keine Entkopplung. Relative Entkopplung heisst nichts anderes als: Die Schäden nehmen etwas weniger schnell zu. Das verschafft uns Zeit, aber um die Umwelt tatsächlich und langfristig entlasten zu können, braucht es eine absolute Entkopplung. Mit anderen Worten: Der Verbrauch von Energie und Ressourcen müsste sinken, während die Wirtschaftsleistung steigt.

Doch ist eine absolute Entkopplung überhaupt möglich? In einzelnen Fällen konnte sie tatsächlich nachgewiesen werden. So haben die CO2-Emissionen in der Schweiz seit Mitte der Neunzigerjahre abgenommen, obwohl die Wirtschaft gewachsen ist. Dasselbe wurde für den Ressourcenverbrauch in Deutschland beobachtet. Doch das ist lediglich eine regionale Sichtweise. Wegen der Verlagerung der industriellen Produktion aus Europa heraus fallen Emissionen und Ressourcenverbrauch heute in einer anderen Weltgegend an – unsere T-Shirts werden in Bangladesch produziert, unsere Smartphones in China.

Verschiedene Gründe sind dafür verantwortlich, dass der Verbrauch von Energie und Ressourcen und die damit verbundenen Umweltbelastungen aus globaler Sicht nicht abnehmen:

  • Technische Verbesserungen und Effizienzsteigerungen werden durch Mehrproduktion respektive -verbrauch kompensiert.

  • Der Ressourcenverbrauch wird nicht absolut reduziert, es kommt zu Verlagerungen (in andere Weltgegenden, zu anderen umweltbelastenden Stoffen).

  • Gut zugängliche Rohstoff- und Energielagerstätten werden zuerst abgebaut. Später kommen die schlechter zugänglichen hinzu – das führt zu einem höheren Energieaufwand und zu mehr Emissionen, um dieselbe Ressourcenmenge zu gewinnen.

Das Europäische Umweltbüro führt in einer Studie insgesamt sieben Gründe auf, warum absolute Entkopplung nicht funktioniert (https://eeb.org/wp-content/uploads/2019/07/Decoupling-Debunked.pdf).

Wollte man tatsächlich eine Entlastung der Umwelt erreichen, wären starke staatliche Eingriffe notwendig, wie beispielsweise die Plafonierung des Verbrauchs von Energie und Ressourcen oder des Ausstosses von Emissionen. Das ist das, was man zurzeit bei den CO2-Emissionen versucht (mit Cap- and Trade-Systemen) oder beim Energieverbrauch angesichts der möglichen Energiemangellage im kommenden Winter. Mit dem Projekt Ressourcenbudgets, an dem das One Planet Lab und der WWF Schweiz zurzeit arbeiten, soll ein weiteres Instrument geschaffen werden, um den Verbrauch und die Emissionen zu stabilisieren respektive zu senken.

Wäre es aus theoretischer Sicht überhaupt möglich, den Ressourcenverbrauch dauerhaft vom Wachstum abzukoppeln? Dazu gibt es verschiedene Aussagen in der Literatur. Eine einfache Überlegung legt allerdings nahe, dass dies nicht möglich ist (siehe Figur). Dabei werden drei Phasen unterschieden:


  • Der heutige Zustand mit vielen ungenutzten Potenzialen zur Steigerung der Energie- und Materialeffizienz

  • Eine Zeitperiode, in der alles darangesetzt wird, den Ressourcenverbrauch zu verringern (morgen)

  • Eine Zeitperiode, in der die technischen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft sind, die Ressourcen noch effizienter einzusetzen (übermorgen)

Während in der zweiten (grünen) Phase ein Rückgang des Ressourcenverbrauchs möglich ist, selbst wenn die Wirtschaft wächst, wird es wieder eine Zunahme geben, sobald die technischen Möglichkeiten ausgereizt sind. Dann kann der Ressourcenverbrauch nur noch verringert werden, indem weniger konsumiert wird (Verhaltensänderung). Damit würde gleichzeitig das Wirtschaftswachstum gebremst.


Mein Fazit: Erstens: Eine absolute Entkopplung des Ressourcenverbrauchs vom Wirtschaftswachstum konnte bis heute auf globalem Level nicht beobachtet werden. Aus theoretischer Sicht gibt es allerdings eine zeitlich begrenzte Phase, in der eine Abnahme möglich ist. Zweitens: Um den Verbrauch von Energie und Ressourcen dauerhaft zu reduzieren, muss der Konsum von material- und energieintensiven Gütern und Dienstleistungen limitiert werden. Dies führt zu einer Verlangsamung oder zu einem Stopp des Wachstums, so wie wir es heute definieren.


Der nächste Blogbeitrag wird im Januar 2023 erscheinen. Gibt es ein Thema, zu dem Sie mehr lesen möchten? Vorschläge sind willkommen!


Kommentare zu diesem Beitrag? Gerne an ion.karagounis@wwf.ch oder über https://www.linkedin.com/in/ion-karagounis-1a623a173/


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