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  • AutorenbildIon Karagounis

Rethink Now Serie: Was bedeutet Glück?



Glücklich oder reich – was hilft der Umwelt mehr?

Mal abgesehen davon, dass wir alle gerne immer glücklich wären: Wieso sollten wir uns als Umweltschützer besonders fürs Glück interessieren? Es sind zwei Annahmen und eine Folgerung, die es uns nahelegen:


Erstens: Wer mehr verdient respektive wer mehr Vermögen hat, belastet die Umwelt stärker als jemand, der über weniger Geld verfügt.


Zweitens: Je mehr jemand verdient, desto glücklicher wird er, aber – und das ist wichtig – nur bis zu einer gewissen Höhe. Wenn diese Person darüber hinaus Geld verdient, wird sie nicht mehr glücklicher.


Die Folgerung daraus: Der Umwelt hilft es, wenn es uns gelingt, möglichst viele Menschen möglichst glücklich zu machen, und nicht etwa möglichst viele Menschen möglichst reich.


Doch stimmt das auch?


Die erste Annahme ist gut belegt mit verschiedenen Studien und Zahlen. So sind die reichsten zehn Prozent der Menschen für mehr als die Hälfte der globalen CO2-Emissionen verantwortlich und das reichste Prozent verursacht mehr CO2-Emissionen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung[1].


Ähnlich sieht es aus beim globalen Energieverbrauch. Dieser wird Prognosen zufolge 2040 zirka ein Drittel höher sein als heute, wobei 80 Prozent des Wachstums auf einen höheren Wohlstand zurückgeführt wird und nur ein Fünftel auf andere Faktoren wie die steigende Bevölkerungszahl.


Schwieriger wird es mit der zweiten Annahme. Da stellt sich zuerst die Frage: Ist es richtig, von Glück zu sprechen? Oder sollten wir besser von Zufriedenheit oder Wohlbefinden sprechen? Glück ist ein flüchtiges Gefühl, etwas, das kommt und geht, währenddessen Zufriedenheit oder Wohlbefinden länger andauernde Zustände sein können, auf die man hinarbeiten kann, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Die Forschung weiss recht genau, was es braucht, um glücklich oder zufrieden zu werden, respektive um sich wohlzufühlen – Gesundheit, gute Freunde, ein erfülltes Arbeitsleben oder eine massvolle Arbeitsbelastung zählen dazu (weiterführende Links siehe unten).


Nun zum Kern der Annahme: Gibt es eine Einkommenshöhe, ab der man nicht mehr glücklicher wird? Lange wurde davon ausgegangen, dass es diese tatsächlich gibt. Es wurde auch eine Grenze berechnet, die ungefähr bei einem Jahreseinkommen von 60'000 Euro liegt. Alles, was wir, insbesondere in reichen Ländern, darüber hinaus produzieren und konsumieren, steigert unsere Zufriedenheit nicht mehr. Drastisch ausgedrückt: Wir belasten damit die Ressourcen und schädigen die Umwelt, ohne daraus einen Nutzen ziehen zu können. Neuere Forschung scheint nun wiederum zu zeigen, dass das alles nicht so einfach ist. Kurz gesagt: Noch mehr zu verdienen kann glücklicher machen, muss es aber nicht (weiterführende Links siehe unten).


Damit kommen wir zum Ziel, das wir – aus meiner Sicht – als Gesellschaft und als Wirtschaft verfolgen sollten: Es möglichst vielen Menschen zu ermöglich, ihr Leben so zu gestalten, dass sie damit zufrieden sind, sich wohl fühlen und (materiell) abgesichert sind. Dabei steht weder die einseitige Steigerung der Wirtschaftsleistung (jedes Jahr ein höheres Bruttoinlandprodukt) im Vordergrund, noch die Maximierung von Einkommen und Vermögen, sondern es kommen viele weitere Faktoren hinzu. Im Deutschen wird oft von einem «glücklichen Leben für Alle» als Ziel gesprochen. Zutreffender ist aus meiner Sicht der englische Begriff «a wellbeing economy», eine Wirtschaft, die das Wohlbefinden der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Verschiedene Länder verfolgen bereits explizit solche Ansätze in ihrer Politik, zum Beispiel Neuseeland oder Wales.


Mein Fazit: Erstens: Weil es direkte und indirekte Zusammenhänge gibt zwischen Umweltbelastung, Konsum, Einkommen, Vermögen sowie Glücksempfinden, soll sich der Umweltschutz auch mit Glücksfragen befassen. Zweitens: Wenn Menschen erleben können, dass ihre Zufriedenheit nicht mit zusätzlichem Konsum zunimmt, sondern dank immateriellen Werten wie Freundschaft, Gemeinschaft, Naturerlebnissen oder einer erfüllenden, aber massvollen beruflichen Tätigkeit, dann tragen sie automatisch etwas zum Schutz der Umwelt bei.


Im nächsten Blog geht es um die Frage, ob sich Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung überhaupt entkoppeln lassen. Er erscheint Anfang Oktober.


 


Mehr zum Zusammenhang zwischen Einkommen und Glück: https://karrierebibel.de/macht-geld-gluecklich/


Mehr zur Reduktion von Erwerbsarbeitszeit und den (positiven) Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Gesellschaft: https://www.cde.unibe.ch/forschung/cde_reihen/wir_brauchen_grundsaetzlich_eine_andere_art_des_wirtschaftens/index_ger.html https://money.howstuffworks.com/four-day-workweek.htm


 

Kommentare zu diesem Beitrag? Gerne an ion.karagounis@wwf.ch oder über https://www.linkedin.com/in/ion-karagounis-1a623a173/


 

Bis jetzt erschienen im Rethink-Blog:



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